Dienstag, 22. Dezember 2009

Weihnachtszeit - Zeit der Erinnerungen2

Am nächsten Tag hatte ich die ersten zwei Stunden Deutsch. Ich erzählte noch einmal von Weihnachten in Österreich, von Keksen, Nikolaus und Krampus. Wir öffneten alle Türchen meines selbst gebastelten Kalenders und beschrieben die Bilder und das Spiel, das ich vorbereitet hatte, klappte super. Um 12 Uhr fand die Pikkujoulu des Lukio in der Aula statt. Ein paar Kinder führten einen Tanz vor, ebenso eine Gruppe Mädchen. SchülerInnen des Lukio musizierten und auch ich trat mit ein paar Schülern auf und sang zwei österreichische Weihnachtslieder, die ich ihnen beigebracht hatte. „Es wird scho glei dumpa“ und „Immer, wenn es Weihnacht wird“. Zu meiner großen Überraschung bekam ich auch von der Schule ein Geschenk, ein großes, schweres, bronzefarbenes Metallherz, das schon im Funkkis, meiner Wohnung, in der Garderobe hängt.

Das Wochenende in Kaustinen war auch sehr schön, obwohl die feierliche Stimmung leider vor dem Fernseher vergammelte. Aber schließlich kochten wir und am Samstag ging ich auch mit Saana und Elisa in die Sauna. Ach ja, von Elisa bekam ich eine selbstgestrickte Mütze! Jaanas Geschenk packte ich schlussendlich auch schon vor dem Heiligen Abend aus: eine Muumitasse! Ich freute mich sehr darüber, denn alle Finnen lieben die Muumis, die sind wirklich herzig.

Am Montag, dem 21.12. war ich bei Taina, der Direktorin, eingeladen. Als ich das große, gelbe Haus am Fluss betrat, traute ich meinen Augen kaum. Es war sehr groß, sehr modern, mit vielen Gemälden. Mega Flachbildschirm vor dem Ledersofa, eine hohe schräge Decke, geräumige Küche, aber erst der Keller! Als ich mich die schlichte Holztreppe hinunterbewegte, trat schon eine weitere Sitzgelegenheit in mein Blickfeld. Dann, ein steinerner Kamin, davor zwei lange schwarze Ledersessel mit weißem Fell darauf. Ein zweiter Flachbildschirm, der aus einem verschiebbaren Gestell aus der Wand ragte, darunter ein Weinflaschenhalter, Lichtspots, die über eine Fernbedienung ein- und ausgeschaltet werden konnten. Taina führte mich weiter bis zur Sauna. Oder besser gesagt, der Sauna, dem Dampfbad, Whirlpool und der Infrarotkabine mit eingebauter Stereoanlage. Im Keller gab es auch nochmal eine Küche, ein Arbeitszimmer für Taina und einen Hobbyraum für ihren Mann, von dem aus eine Treppe direkt in die Garage führte. Und Bücher, Bücher, Bücher. Da hat sich ein Architekt mal richtig ausgelassen. Der Kellerraum hätte was von einem Romantikhotel gehabt, Kuschelfaktor 10, wenn es nicht Taina gewesen wäre, die neben mir auf ihrer schwarzen Lederliege lag, vor dem offenen Kamin bei Kerzenschein und Tee. Wir sprachen über allerlei Dinge, meist über die Schule, und Taina lobte meine Arbeit, was mich sehr freute.

22.12.

Zum ersten Mal, als es richtig dicke Flocken schneit, trete ich vor die Türe. Es dämmert seit einer Stunde und ich laufe die fünf Minuten zu Jaanas Haus. Da sie meine zwei Anrufe nicht beantwortet hat, habe ich vor, sie mit meinem kleinen Besuch zu überraschen. Kinder spielen in der Einfahrt, Jaana kommt zur Tür und wir sprechen eine Weile. Liebe Worte, ein Dank, Grüße, der Duft nach gebratenem Fisch und meine Stiefel, die Schneespuren auf der Fußmatte hinterlassen. Ich will nicht allzu lange bei den Weihnachtsvorbereitungen stören, darum spaziere ich zehn Minuten später wieder die Einfahrt hinaus.

Ich steige über die Friedhofsmauer, mein Rock streift den Schnee. Die Lichter scheinen gelassen vor sich hin. Noch nie habe ich einen Friedhof so gemocht. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich erfuhr, dass ich Zöliakie habe. Wie ich alleine im Informatikraum saß, das E-Mail las und weinte. Wie ich zum Fluss lief, um dort das letzte glutenhaltige Produkt in meinem Leben zu verzehren, erstanden im Supermarkt Halpa Halli, ein bemitleidenswertes, zerdrücktes, zuckriges Ding ohne Persönlichkeit, das zu meiner Überraschung sogar eine Marmeladenfüllung hatte. Das letzte Abendmahl.

An diesem Tag ging ich auch am Friedhof vorbei. Es fand gerade eine Beerdigung statt.

Wie sich doch alles verändert hatte! Das muss ein starker Wind gewesen sein, der so viele Blätter wenden kann.

Weihnachtszeit - Zeit der Erinnerung1

Am Donnerstag, dem 17.12.09 ging ich am Vormittag in den Kindergarten. Die Kinder der beiden Gruppen versammelten sich gerade im großen, hellen Turnraum, der um neun Uhr morgens ja noch ziemlich dunkel war, sodass die Weihnachtsbeleuchtung eine heimelige Stimmung verbreitete. Es wurden Weihnachtslieder gesungen und es dauerte nicht lange, bis die Kinder den Joulupukki (Weihnachtsmann) sahen, der plötzlich vor dem Fenster stand.
Als er den Kindergarten betrat und sich auf einen Stuhl setzte, waren die Kinder mit einem Schlag total aufmerksam. Ich verstand natürlich nichts von Joulupukkis langen Reden und beobachtete die Kinder, die Geschenke für die Gruppe entgegennahmen. Aber ich war mindestens so aufgeregt wie sie, als ich auf einmal „Julialle“ unter dem vielen Finnisch vernahm. Da plötzlich alle Blicke auf mich gerichtet waren, verstand ich. Mit Herzklopfen stand ich auf und trat vor den Weihnachtsmann hin, der ein kleines Päckchen mit einer hübschen Karte aus seinem Sack zog. Ein Geschenk für mich! „Kiitos Joulupukki!“, brachte ich hervor.

Um 19 Uhr, nach zwei Stunden im Kino, dem Jugendzentrum, holte mich Salla, die Lehrerin der Volksmusikstudenten in Kaustinen, ab. Zu viert fuhren wir nach Kokkola, wo ein Pikkujoulu, eine Weihnachtsfeier der Volksmusikstudenten des Konservatoriums stattfand. Da ich ja schon Eeva, Simons Mitbewohnerin, und ihre Freundin Hipsu kannte und viele andere vom Sehen, fühlte ich mich gleich wohl und es versprach ein netter Abend zu werden. Puuro wurde gekocht, der traditionelle Reisbrei mit Zimt, Zucker und einer Soße aus Trockenfrüchten. Es gab viele Süßigkeiten und manche Leute hatten auch Glögi mitgebracht. Natürlich wurde gleich am Anfang schon musiziert, zum Teil mit selbstgebauten Instrumenten, Kantele, Cello, Geige, usw.
Wir machten ein Kreisspiel, insgesamt waren wir vielleicht 30 Leute, ein paar erklärten sich als „Pelimanni“ bereit, als Spielmann, die dem Geschehen einen musikalischen Rahmen geben. Sogar ich kapierte, wie das Spiel funktionierte. :)

Etwas später ging ich mit ein paar anderen in die Sauna, die endlich einmal richtig heiß war, bestimmt neunzig Grad. Nach ungefähr 5 Saunagängen, begleitet von Jodeln, Throatsinging, viel Dampf und Wassergespritze, begann im anderen Raum schon der „Air-Harmonium-Contest“. Ihr kennt ja alle Luftgitarrencontest? Dasselbe, nur mit dem Harmonium, eine Art Klavier, aber mit Blasebalg, der mit den Füßen angetrieben wird. Das war echt witzig, dauerte aber recht lange. So hatte ich jedoch Zeit, viele verschiedene Süßigkeiten zu genießen. :P

Nach dem Contest mit langem, lustigem „Jurygespräch“ nahmen wieder ein paar Leute nacheinander Instrumente zur Hand und begannen einfach so zu spielen, improvisierten alle gemeinsam und die Stimmung wuchs. Wir tanzten ausgelassen und viel zu bald schon (um kurz nach eins) nahm uns Salla wieder mit nach Kaustinen.

Ich saß auf dem Beifahrersitz, müde, schon von allen Unterschieden an Weihnachten in Österreich erzählt, und blickte auf die Straße Richtung Jyväskylä, die 40 km lang gleich aussieht. Ich erinnerte mich an den 1. September, an dem ich zum ersten Mal in einem finnischen Auto nach Kaustinen gefahren war. Auf dem Rücksitz sitzend, den Kochtopf und meine zukünftigen Teller und Tassen neben mir, hatte ich mich nach vorne geneigt, um Jaana besser zu verstehen, die mir schon das finnische Schulsystem erklärte. Als mein Nacken zu sehr geschmerzt hatte, hatte ich nur noch aus dem Fenster geblickt, auf die gleichen Bäume, den gleichen Wegrand. Ich weiß noch, dass ich versucht hatte, in den Wald hinein zu schauen, etwas zu entdecken, aber ich weiß nicht, was. So viel Wald, hatte ich damals festgestellt, obwohl Wald ja ganz und gar nichts Fremdes für mich war.

Finnischer Schnee

Finnischer Schnee knirscht nicht, er quietscht. Das habe ich schon heute Morgen festgestellt, als ich mit den neuen braunen Lederstiefeln über den verschneiten Parkplatz lief. Beim ersten Atemzug im Freien, dem schönsten des Tages, wanden sich meine Nasenflügel plötzlich nach innen und die äußerste Hautschicht gefror. Dieses Gefühl blieb den ganzen Weg über bestehen, als ich die kältesten Temperaturen in meinem bisherigen Leben erfuhr. Minus 19 Grad. Der Horizont leuchtete in zartem Rosa, das vorsichtig in das Babyblau des Himmels strömte. Ein Leuchten, das ich bisher nur von meinen Bergspitzen zuhause gekannt hatte.

Der breite Weg ist von Nadelbäumen gesäumt. Der Schnee quietscht so laut, dass er meine Gedanken übertönt. Als ich kurz stehen bleibe und inne halte, ist kein Laut mehr zu hören. Die Natur kommt näher als sonst. Ich laufe weiter. Der Schnee benimmt sich wie Kristallzucker, als er von meinen Schuhspitzen hüpft. Meine Hände und Füße sind warm, aber meine Wangen fühlen sich wie zwei Apfelhälften an. Meine Beine werden zu Baumstämmen und der Stoff darum herum zum Schleifpapier, das meine Rinde reizt. Der Kragen der Winterjacke ist längst hart vom gefrorenen Atem und den leisen Schneefuseln, die mir ins Gesicht schneien. Ich verlasse den Waldweg über einen kleinen Pfad, trete zwischen Büschen hindurch und erreiche den großen weißen Sportplatz, der von der Langlaufstrecke umringt wird. Das Holz der Baumstämme wird härter, das Schleifpapier immer gröber. Das Quietschen des Schnees wird nun vom Rauschen der Beschneiungsanlage begleitet. Aus der Kristallzuckertraum.
Der gefrorene Kunstschnee sieht aus wie hingeschmiert. Ein Schneeflockenglitzern lang wird der große Sportplatz zum Kuchen und ich zur Ameise, die sich darauf verirrt hat. Auf die Zuckerglasur des Kuchens haben sich kaum andere Wesen getraut, aber eine Spur führt über den Patzen geschlagenen Eiweißes rechts von mir. Im trüben Scheinwerferlicht sucht der Kunstschnee immer noch seine Schönheit, aber niemand scheint ihn zu beachten.

Ich laufe schneller. Das Quietschen des Schnees wird heftiger. Die Dunkelheit legt sich wie ein schwarzes Seidentuch auf den Weg. Langsam verwandelt sich das Holz in meinen Beinen wieder zu Muskeln. Von innen nach außen. Jahresring um Jahresring.


Ein Eindruck von Montag, dem 14. Dezember 2009

Mittlerweile hatte es schon -22 Grad, eine Kälte, die für mich kaum auszuhalten ist. Besonders der Wechsel von draußen nach drinnen ist sehr ungewöhnlich.

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Pikkujoulu!

Bin morgen zur Pikkujoulu in Kokkola eingeladen! Weihnachtsfeier der Studenten des Konservatoriums... Am Freitag haben wir auch in der Schule pikkujoulu und mein kleines Deutschgrüppchen und ich singen deutschsprachige Weihnachtslieder. :)

Montag, 14. Dezember 2009

Kokkola! 11.-13.12.09

Am 11. Dezember, dem Freitag, nahm mich meine Flötenlehrerin Minna nach Kokkola mit. Ich durchstreifte wieder mal meinen Lieblings-Secondhandshop, ging in die Bibliothek und später zu Simon und Eeva. Wir verbrachten einen gemütlichen Abend und schauten einen echt guten Film an: The Squid and the Whale. Familiendrama in den 80ern New Yorks, das witzig, aber auch berührend war.

Am Samstag spielten und sangen Simon und Eeva mit anderen Studenten des Konservatoriums in Kokkola in der Einkaufsstraße Weihnachtslieder. Am Abend gingen wir in die Sauna, ich las ein bisschen und später gingen wir zu einer Freundin der beiden, die eine Party machte. Es gab viele gute finnische Sachen, die ich nicht essen konnte, wir spielten Weihnachtslieder-Raten und ich hörte Eeva beim Kantelespielen zu.
Um 22 Uhr lief ich zu Tankari 2, wo Capucine und Martyna wohnen, zwei Freiwillige aus Frankreich und Polen, denn Freunde von ihnen hatten auch eine Party. Die Wohnung, die aus einer winzigen Küche und einem Wohnzimmer bestand, war mit 40-50 Leuten vollgestopft, ich konnte mich kaum umdrehen, aber es war cool, einmal auf einer richtigen Party zu sein. Und wer´s glaubt oder nicht, ich habe Ingrid und Yasmin wieder getroffen. Als ich am 22.11. von Tampere zurückgefahren war, waren sie mir zufällig im Zug begegnet, und als ich am 4.12. nach Tampere gefahren war, traf ich sie schon wieder im selben Zug. Sie wollten nach Turku. Das Wiedersehen war schön, und zu meiner Verwunderung tauchte dieser eine Typ auf, der schon seit sieben Jahren dieselbe Freundin hat (ja, jetzt sind es schon sieben), was Ingrid damals so geschockt hatte. Keine Ahnung, wo sie den aufgegabelt hatten. Der Abend endete im West Coast.

Am Sonntag ging meine Konzerttour weiter. Um hörte ich das Weihnachtskonzert des Ostrobothnian Jazzorchesters, wo Simon auch mitspielt. Die Musiker trugen alle rote Joulutontu-Mützen. Tontu ist ein Elf. In Finnland gibt es aber nicht nur den Weihnachtself, sondern auch den Saunaelf, den Hauself und den Stallelf und sind so was wie die Heinzelmännchen. Diese Tontus sind ja wirklich sehr nützlich! :P

Um fünf gaben zwei finnische Bands ein Konzert in diesem Gebäude, wo ich schon mal mit Ross und Ingrid gewesen war und SUO gehört hatte, aber ich habe den Namen vergessen. Die erste Band mit den vier Männern war sehr … interessant. Naja, einem Depressiven darf man diese Lieder nicht vorspielen… Die zweite Band war ein bisschen poppiger mit diesen drei Sängerinnen, aber ich war immer noch ziemlich müde und deshalb sehr froh, dass ich Mikael traf, einen der Volksmusikstudenten aus Kaustinen, und mit dessen Bekannten nach Hause fahren konnte.

Pian joulu on! Bald ist Weihnachten!

Letzte Woche bereitete ich eine Präsentation über Kitzbühel vor. Das Hahnenkammrennen durfte natürlich nicht fehlen, aber oweh, da wurden Erinnerungen wach…. *g*


Am Donnerstag hielt ich die Morgenzeremonie. Christmas in Austria. Ich erzählte natürlich über Nikolaus und Krampus, Adventskranz und Christkindlmarkt. Dinge, die Finnen gar nicht kennen. Dafür haben sie viel mehr Weihnachtsbeleuchtung, Plastikweihnachtsbäume (kuusipuu), siebenarmige Leuchter in allen Fenstern (die keine Bedeutung haben, ich habe mich genau erkundigt), essen Piparkakku (Pfefferkuchen) und singen Lieder über Joulupukki, den Weihnachtsmann, der ja aus Finnland stammt.


Ebenfalls am Donnerstag backte ich mit den Jugendlichen im Kino (Jugendzentrum) Kekse. Ich war sehr begeistert, wie sie sich beteiligten. Natürlich machten nicht alle mit, aber jedenfalls fragten sie, was wir vorhatten, wann die Kekse fertig seien, usw. Ein Junge wollte sogar den Teig kneten, und als wir die Kekse ausstachen, waren 10 Jugendliche involviert. Leider verbrannte das zweite Blech mit ein paar wenigen Überresten, aber trotzdem würde ich diesen Abend als äußerst erfolgreich beschreiben.

4.-6.12.09

Am Freitag, den 4.12. um 12 Uhr fand im Kansantaiteenkeskus (Folk Arts Center) ein Fest anlässlich der bestandenen Matura und des Unabhängigkeitstages am Sonntag statt. Alle Schüler des Gymnasiums und der Oberstufe der Gesamtschule waren eingeladen. In Finnland dauert die gymnasiale Oberstufe (von 16-19 Jahren) normalerweise 3 Jahre. Man kann sie aber auch in zweieinhalb oder dreieinhalb Jahren schaffen. In seltenen Fällen sogar in zwei oder vier Jahren. Es waren nur vier Schüler, die die Matura in diesem Herbst bestanden hatten und sie hatten sie außertourlich gemacht. Eigentlich waren sie Schüler einer anderen Schule ohne Matura und die Matura machten sie zusätzlich im Gymnasium. Was sich die Finnen alles einfallen lassen… Die Schüler lasen etwas aus einer Schriftrolle vor, bekamen ein Zeugnis und ihr „Maturakäpple“ überreicht.

Einige Schüler des Musikgymnasiums spielten vor, drei sehr stille Kriegsveteranen wurden interviewt und Taina, die Direktorin hielt eine Rede. Wir sangen die Nationalhymne und das war´s dann auch schon.

Am Nachmittag fuhr ich wieder mal nach Tampere zu Lisa. Nachdem ich um 21 Uhr angekommen war, gab es Sushi bei einer Freundin einer Freundin Lisas und dann gingen wir aus. Das Nachtleben Tamperes beeindruckte uns wieder mal nicht so sehr, aber wir hatten trotzdem Spaß beim Tanzen, obwohl der Eintritt in den Club 6 Euro gekostet hatte.

Am Samstag musste Lisa schon wieder um 14 Uhr im Zirkus sein, weil sie arbeiten musste. Ich machte mir einen gemütlichen Tag bei ihr zuhause, skypte mit Mama und machte mich dann auf den Weg zum Zirkus. Die Weihnachtsshow war natürlich noch beeindruckender als die Probe. Zurück in der Stadt aßen wir in der Pizzeria Napoli, ja, es gab sogar glutenfreie Pizza! Aus der Sicht der Finnen war die „pitsa“ auch gar nicht teuer! Die billigsten waren schließlich schon für 8 Euro zu haben… :P

Weil Lisa am Sonntag schon um 10 wieder arbeiten musste, fuhr ich um 12 wieder nach Kokkola. In Snellmannsali fand ein Konzert anlässlich des Itsenäisyyspäivä, des Unabhängigkeitstages, statt. Sakari Orama, ein berühmter Dirigent Finnlands, dirigierte das Keski-Pohjanmaan Kamariorkester, das mit SchülerInnen des Konservatoriums und des Musikgymnasiums gemischt war. Deshalb spielte auch Saana, eine Mitbewohnerin, mit.

Witzig war, dass Sakari Oramo drei Stunden später im Fernsehen in Helsinki auftauchte, um der Präsidentin die Hand zu schütteln. Das muss ein besonders schnelles Flugzeug gewesen sein. Ich sah mir die Zeremonie im Präsidentenhaus gemeinsam mit zwei anderen Mädels zuhause im Funkkis an. Zwei Stunden lang begrüßt die Präsidentin Tarja Halonen Gäste aus aller Welt, berühmte finnische Persönlichkeiten, Politiker…

Samstag, 12. Dezember 2009

Finnland ist anders...

Finnland ist anders, weil...

... Geschirrtücher nicht zum Geschirrtrocknen benutzt werden und deshalb im Kaufhaus auch kaum zu finden sind. Finnen haben im Küchenschrank anstatt Regalbretter ein Gitter und lassen das Geschirr im Schrank trocknen! Unten tropft das Wasser dann genau in das Spülbecken. Das ist doch echt schlau! Spart viel Zeit....

... alle SchülerInnen Finnlands das Schulessen gratis bekommen.

... (und das ist nun wirklich seltsam) die Finnen fast in jedem Satz am Ende so ein "Jo" einbauen, das aber kein "Ja" bedeutet und auch kein richtiger Lückenfüller ist. Sie atmen gleichzeitig ein, also klingt es eher wie "Hhjo". Probiert das mal aus, es ist echt schwierig! Die Finnen machen das auch als Zeichen dafür, dass der Satz beendet ist und jemand anderes sprechen kann. Es ist sehr unhöflich, jemanden zu unterbrechen.

... einfach jedes Haus eine Sauna hat. Die Finnen gehen ein bis zwei Mal pro Woche, Samstag ist klassischer Saunatag.

... weil man mit dem Fahrrad in der Stadt nicht auf der Straße fährt, sondern auf dem Gehsteig! Die armen Fußgänger müssen deshalb oft ausweichen, die Radfahrer oft stehenbleiben. Wie unpraktisch.

... Alkohol unglaublich teuer ist und Alkoholismus in Finnland noch ein größeres Tabuthema ist. Man überlegt sich zwei Mal, ob man einer Familie lieber eine Flasche Wein oder einen Blumenstrauß bringt. ("Was sollen die denn von mir halten...?")
Bier und Wein kann man ab 18 kaufen, Hochprozentiges ab 20. ABER: In jedem Supermarkt steht mindestens ein Glücksspielautomat, wo manche Leute stundenlang davor stehen und ihr Geld verpulvern. Glücksspiel ist ab 16!!!

... es nicht üblich ist, Trinkgeld zu geben.

... weil die Finnen alle englischen Wörter auf Finnisch übersetzen oder zumindest Englisch aussprechen, zum Beispiel wird der Ausdruck "live" (live im TV) durch "elämä " ersetzt. Apple-Computer heißen natürlich nicht "äppl" sondern "apple". Witzig war, als meine Deutschlehrerin auf den "Jazzabend" hingewiesen hat. Jazz ist natürlich nicht "dschäss", sondern "jatz"! Ein kleines Ratespiel für euch: Was sind "ranskalaisen perunat"? (ranska=Frankreich, peruna=Kartoffel)

... es im Finnischen kein Wort für "Bitte" gibt. Es gibt nur "Danke" und das heißt "Kiitos"!

Donnerstag, 3. Dezember 2009

2.12.09

Gestern war ich drei Monate in Finnland! Kaum zu glauben, dass ich nur noch 7 Monate übrig habe.


Heute war ein sehr schöner Tag. Ich musste erst nach dem Mittagessen in der Schule sein, also schlief ich bis 10 und als ich aufwachte, sah ich die Sonne. Sie schien in das Haus gegenüber, dessen Fenster die Strahlen durch mein Fenster spiegelte und so konnte ich ein oranges Farbenspiel an der Wand in meinem Zimmer beobachten. Es war der erste richtige Sonnentag seit ca. drei Wochen. Ich plante mit Jaana den nächsten Kurs (viele Sketches und Spiele, juhu!), verbannte endlich den kaputten Backofen aus der Küche und stellte den Tisch um und ging anschließend joggen. Der Himmel war unglaublich, rot, orange, blau, violett – eine fantastische Stimmung. Genau gegenüber schien schon der runde Mond. Ich stand auf dem kleinen Schiberg und blickte in den weiten Horizont hinaus. Der frostige Boden knirschte unter meinen Füßen, ein eisiger Wind blies und die warmen Himmelsfarben legten sich langsam hinter dem Horizont schlafen.


Zu guter Letzt konnte ich sogar noch das Päckchen von der Post abholen und freute mich über viele Geschenke von Zuhause. Tee, Socken, eine Wärmflasche und vieles mehr. Am meisten aber freuten mich die besten Lebkuchen, die die Menschheit je geschmeckt hat und die obendrein noch glutenfrei sind! Danke Mama.


Morgen werde ich nach dem Kindergarten und der Schule mit den Studenten des Kansantaiteenkeskus nach Veteli zum Schwimmen fahren. Das Schwimmbad dort ist winzig, aber ich freue mich schon sehr darauf, vor allem, weil ich anschließend Luis und seine zwei kleinen Kinder Jalo und Onni besuchen kann. Luis ist dreißig, besucht den gleichen Sprachkurs und kommt aus Spanien, hat aber eine finnische Frau. Zurzeit ist er Hausmann, weil Kirsi, seine Frau, studiert.

29.11.09

Dieses Wochenende verbrachte ich in Kaustinen mit Kekse backen, Adventskranz binden, Besuch bekommen, im Wald spazieren gehen, kochen, Hörspiel anhören, usw. Am Sonntagabend gab das Lukio (Musikgymnasium) ein Weihnachtskonzert in der Kirche. Als wir zur Probe über den mit Lichtern übersäten Friedhof gingen, wurde mir wieder einmal bewusst, wie viel Glück ich hatte, Weihnachten mit Saana und ihrer Familie in Finnland verbringen zu können, aber ich wünschte mir trotzdem, meine Familie hätte an diesem Abend bei mir sein können.

23.11.09

Heute war ich im Kindergarten. Immer noch fällt es mir sehr schwer, etwas auf Finnisch zu sagen, aber ich fühle mich dort einfach wohl. Die Kinder scheint die Sprachbarriere gar nicht sehr zu stören. Sie lieben es, wenn ich ihnen helfe, eine Höhle zu bauen und sie mich fangen oder erschrecken können oder mit mir Ball zu spielen. Die Kindergärtnerinnen sind sehr nett, wir unterhalten uns immer gut und so lerne ich viel über die finnische Kultur, über Kaustinen… Aber auch durch das Beobachten und Zuhören kann ich viel lernen.

Zum ersten Mal seit Anfang September saß ich heute wieder in einer Musikgeschichte-Stunde mit Kaisu. Sie hat mir Unterlagen auf Deutsch geliehen, über finnische Musik, aber auch über das Land allgemein. Auch war sie es, die mit mir im September einkaufen ging und mir alle glutenfreien Produkte im Supermarkt zeigte, denn sie hat auch Zöliakie. Saana schrieb für mich ein paar finnische Phrasen auf, die ich mir eigentlich viel öfter ansehen sollte. Wo bleibt der Eifer?

Das Wochenende habe ich bei Lisa in Tampere verbracht. Sie hat mir den Jugendzirkus „Sorin Sirkus“ gezeigt – ihre Arbeitsstelle – und ich war sehr fasziniert von allem, was ich dort sah, obwohl ich ja noch nie was mit Zirkus am Hut hatte. Wieviel Kraft, Anstrengung und jahrelanges Training hinter solchen Performances stecken musste! Weil Lisa auch am Wochenende gebraucht wurde, beschloss ich, bei ihr zu bleiben und auch ein bisschen mitzuhelfen. Wir sprühten Holzstöcke an (eine lange Prozedur) und strichen eine Plattform in einigen Metern Höhe in der Manege.

Am Abend gingen wir tanzen, und obwohl wir in einem Club landeten, wo die Musik nicht gerade der Bär war, machte es Spaß, denn der Barkeeper im Blumenrock ließ zwei Mal hintereinander eine Flasche fallen, wir tanzten zu doofen Liedern und der Surfer an der Wand war auch ganz lieb. Baila, es leben die 90er!

Am Sonntag spazierten wir durch das frühweihnachtliche Tampere bis ich um 15 Uhr den Zug nach Kokkola nahm. Simon und seine Mitbewohnerin hatten mich bei ihnen zum Abendessen eingeladen, also verbrachte ich noch ein Stündchen dort, um um halb 8 nach Kaustinen aufzubrechen.

17.11.09

Vergangenes Wochenende (13.-15.11.) habe ich mit Lisa in Jyväskylä verbracht. Wir besuchten Annika, eine Bekannte von Allen. Er hat netterweise den Kontakt zwischen uns hergestellt. Wir tranken Glühwein, quatschten, hörten Musik, sahen uns das relativ kleine Jyväskylä an und kochten uns eine feine Pilzpfanne zum Abendessen. Anschließend sahen wir uns den Film „Once“ an: Romantisch, rührend und realistisch. Draußen lag Schnee, wir saßen im Warmen bei unserem Glögi – so konnten wir schon einen Hauch von Weihnachten spüren.


Später am Abend trafen wir Ruben, einen Freiwilligen aus Italien, dessen Freund uns auf eine Party auf der Uni mitnahm. DJ, tanzen, lachen, der Abend machte sehr viel Spaß. Wir überstanden sogar den langen Nachhauseweg.


Am Montag hätte eigentlich eine Volkstanzstunde im Folk Arts Center stattfinden sollen, aber da wir mit der Lehrerin nur zu dritt waren, saßen wir in der Bibliothek und sprachen zwei Stunden lang über Gott und die Welt. Anschließend besuchte ich Runa-Laulu, eine Art des Erzählens, die singend geschieht, sehr gewöhnungsbedürftig. Ich bin schon gespannt auf die folgenden Stunden im Kansantaiteenkeskus (Folk Arts Center).

13.11.09

Gestern und heute durfte ich ganz alleine unterrichten, weil Jaana, meine Deutschlehrerin krank war. Neue Grammatik? Kein Problem! J Viele fragende Gesichter blickten mich an… Aber alles in allem war ich doch erfolgreich.

Finnland ist anders2

Finnland ist anders, weil …

… Pilze wie Löwenzahn am Straßenrand wachsen.

… mitten im Wald auf einmal ein Konzerthaus auftauchen kann.

… die Mehrheit der Menschen im Haus mit Wollsocken rumläuft, die wie Stiefel getragen werden, also über das Hosenrohr gezogen. Nett!

… es keinen Kräutertee gibt, nur Instant-Tee von Rucola.

… manche Wörter Verwirrung stiften: Sport = Urheil! oder wenn man "Kinder" dekliniert, ist eine Form "Lasten". Achja, und der Frisör gleich neben dem Funkkis heißt „Fiksaus“.

Weekend in Kokkola

Ach ja, noch etwas, worüber ich nicht gerne schreibe, was aber immer wieder auftauchen wird, weil es mein bisheriges Leben beeinflusst hat. Am Freitag, den 11.9. habe ich nach wochenlanger Wartezeit endlich das Ergebnis der Untersuchungen bekommen. Der Verdacht, dass ich Zöliakie habe, hat sich bestätigt und ich darf jetzt kein Gluten mehr essen, sprich kein Mehl/Getreide, also kein Brot, kein Kuchen, keine Nudeln, Kekse und Teigwaren und auch sonst viele Sachen, die Getreide oder Stärke enthalten, zum Beispiel auch kein Bier. Naja, das Leben geht weiter. Es gibt hier sogar mehr speziell glutenfreie Produkte als in Österreich, aber die sind alle verdammt teuer. Jedenfalls hoffe ich, dass sich mein Gesundheitszustand bessert, dass ich nicht mehr überall einschlafe und dass die Bauchschmerzen vergehen.

Aber nun zum vergangenen Wochenende!
Am Freitagabend traf ich mich mit Ross und Ingrid in Kokkola. Diesmal zahlte ich 8,20 Euro für den Bus (für 48 km)! Ross war am vorigen Wochenende in sein kleines Apartment eingezogen. Als ich den Wohnraum betrat, stand da einsam und alleine ein Stuhl vor einem Fernseher, daneben ein runder Tisch. Der Boden hatte einen ungewöhnlichen Fleck, von denen ich lieber nicht wissen wollte, woher er stammte. Alles in allem ist seine Wohnung ganz okay, halt noch nicht wirklich eingerichtet. So leben Volunteers!

Hoffnungsvoll machten wir uns um ca. 21 Uhr auf den Weg in die Stadt, mit der Erwartung, viele gutgelaunte Leute in Partystimmung anzutreffen, nicht wie an jenem Mittwoch, dem letzten Abend unseres On-Arrival-Trainings. Wieder führte uns der Instinkt in die West-Coast-Billard Bar und die Erinnerung hatte uns nicht getäuscht: Happy Hour! Allerdings fanden wir uns fast alleine im Lokal wieder. Um halb 11 sah die Sache schon besser aus, die Bar füllte sich.

Schlussendlich saßen wir mit vier Finnländern am Tisch (aber auch nur, weil ich eine Wette mit Ross angestachelt hatte, natürlich traute ich mich einen Finnen anzusprechen, schließlich wollte ich ja die Stereotype weit von mir schieben und nicht daran glauben, dass Finnen so schüchtern und verschlossen sind, nur weil das die Mitteleuropäer behaupten!).
Naja, ich muss zugeben… strange, diese Finnen. Wir gingen zusammen in den Club „Ilon Talo“, das ist auch der einzige Ort, der nach dem West-Coast akzeptabel ist. Unsere Glückssträhne hielt an, es war freier Eintritt und man bekam zwei gratis Getränke! Als wir im oberen Stock, wo die Tanzfläche war, die Garderobe betraten, und Ingrid einen torteessenden Mann sah, war die Verwirrung noch größer. Wir gingen weiter und auch uns wurde eine Torte angeboten. Aber ich konnte ja leider keinen essen. Alles in allem war der Abend ein wenig aufregender Ausgeh-Abend, weil wir merkten, dass unsere Finnen nicht gerade Partytiger waren. (Sorry Ross, sorry Ingrid!) Ingrid war vor allem ein bisschen durch den Wind, weil sie nicht glauben konnte, dass einer von ihnen schon seit sechs Jahren eine Freundin hatte („How can he be engaged since six years?! He´s 21!“). Naja, weitere Highlights waren noch die Spice Girls, der an der Stange tanzende bleiche Junge und „Cotton Eyed Joe“.

Am Samstag schliefen wir bis 12 (Ross am Boden, der Arme, aber er bestand darauf…). Bis wir schließlich wach waren, dauerte es seine Zeit und ich weiß nicht wann liefen wir los zum Supermarkt. Ross war sehr davon überzeugt, dass Lidl der billigste Laden ist. Als wir schon durch die halbe Stadt gelaufen waren, waren Ingrid und ich nicht mehr so begeistert. Schlussendlich aber hatten wir nach größeren oder kleineren Umständen unsere Einkäufe vom anderen Ende der Stadt zu Ross´ Apartment gebracht und kochten unser Frühstück, das wir schlussendlich um halb 5 Uhr einnahmen.

Am Abend besuchten wir ein Konzert im Snellmannsali-Konzerthaus, denn wir hatten von Simon, dem Studenten, den wir das letzte Mal in Kokkola kennengelernt hatten, eine Freikarte bekommen. Das ausgezeichnete lokale, aber international bekannte Orchester, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern kann, spielte Händel. Tja, wir brauchten unseren Schlaf! Nein, es war ganz gut, ich traf sogar den einen oder anderen Lehrer aus dem Musikgymnasium.

Anschließend suchten wir Simons neues Heim, seine Mitbewohnerin und er haben jetzt ein Haus. Anders als in Österreich, wo die Gäste einander meist vorgestellt werden oder man einfach miteinander redet, sprach auf dieser Party kaum jemand mit uns. Diesen Leuten muss man alles aus der Nase ziehen. Die meisten waren auch Musikstudenten aus Kokkola. Instrumente gab es zuhauf. Zwei Finninnen begannen zu singen, andere stiegen ein, bis das Haus von wunderbar geheimnisvollen Klängen erfüllt war. Wir lauschten im schummrigen Licht und ließen uns von der finnischen Mystik einfangen.

Am nächsten Tag besuchten wir Kokkolas Schwimmhalle und da war wieder so eine Sache, die man unter dem Begriff „kulturelle Unterschiede“ versteht. Es gab keine Umkleidekabine. Ja genau, man zieht sich einfach vor dem Spind nackt aus und geht dann am besten gleich nackt weiter zur Dusche, weil da muss man sich auch wieder ausziehen. Da wir auch die Sauna besuchten, hätten wir auch gleich nackt schwimmen gehen können, aber nein, so weit kam es nicht, keine Angst. Die Stunden im Hallenbad waren sehr entspannend und frohen Mutes liefen wir so gegen 4 in die Stadt, wo uns Simon zu einem alten Gebäude am Rande Kokkolas führte, in der ein Konzert mit der Volksmusik-Band „Suo“ stattfand. Dieses war wieder sehr beeindruckend. Ich hoffe, ihr schaut euch auch die Videos an!

Arbeit!

Nach dem langweiligen Wochenende in Kaustinen war ich relativ froh, dass meine Arbeit wieder begann. Ich werde im Deutschunterricht im Musiikkilukio (die gymnasiale Oberstufe) und in der Gesamtschule dabeisein, aber da der Lehrplan so streng ist, kann ich im Unterricht nicht so viele eigene Ideen einbringen. Darum ist es meine Aufgabe, jede Woche einen österreichischen Abend zu organisieren, wo wir auf Deutsch und Englisch über bestimmte Themen diskutieren, lesen, kochen, Musik hören und selbst musizieren, Sport betreiben (z.B. joggen gehen) usw. Die Schüler haben generell schon sehr viele Aktivitäten neben der Schule, also war ich zuerst skeptisch, ob überhaupt jemand daran interessiert ist. Eine Handvoll Schüler hat sich aber schon in eine Liste eingetragen. Morgen werden wir überlegen, wann unsere Treffen stattfinden sollen. Weiters war ich im Musiktheater, darüber gibt es noch nicht viel zu sagen, außer dass eine Riesenmenge Leute mitmacht und das heurige Thema „Titanic“ sein wird.

Finnland ist anders1

Finnland…

…ist anders…

…weil…

…man die Fenster nicht öffnen kann (und wenn schon, dann nur ein winziges Fenster einen Spalt breit und trotzdem kann man nicht hinausschauen, weil ein dickes schwarzes Fliegengitter davor ist oder sogar ein Fensterladen, der angenagelt ist.

…die Türen selbstverschließbar sind (also nie den Schlüssel vergessen). Darum steht meine Zimmertür immer sperrangelweit offen, außer wenn ich in nicht da bin. Außerdem muss man in die andere Richtung drehen, einfach verwirrend.

…man manchmal um halb 11 schon zu Mittag isst.

…die Finnen Angst vor der Schweinegrippe haben. Ob im Supermarkt, auf der Toilette, im Sommerhäuschen auf dem Ofen, im Seminarraum… überall steht ein Spender mit Desinfektionsmittel.

… alle Leute Haferschleim kochen.

…zu jeder Mahlzeit Brot mit salziger Butter gegessen wird.

…es einen Schilift gibt, der vielleicht ein bisschen über hundert Meter lang ist, aber ganz unten beginnt und am höchsten Punkt weit und breit endet (und alle sind auch noch stolz drauf!)

… Silence is fun! (Finnen sind oft schüchtern. Sie reden zwar schon gleich viel wie wir, aber niemand grüßt dich, wenn er dich nicht kennt, auch wenn du mutterseelenallein im Wald stehst. Ach ja, und wenn sie mit dir sprechen, stehen sie mindestens eineinhalb Meter von dir entfernt… Diese Stereotype…tststs… Konnte aber wirklich beobachtet werden!)

…ständig Kaffee getrunken wird.

…weil manche Wörter unmöglich auszusprechen sind (Wie wärs mit 837? Kahdeksansaatakolmekymmentäseitsemän :) oder Freiwilliger: vapaaehtoistyöntekijä)

… es so viele Sorten Milch gibt, dass man zwei Wochen lang jeden Tag eine neue probieren könnte.

…Dörfer aus zwei Kreisverkehren bestehen können, z.B. Kaustinen. Außerdem erreicht man die Kirche nur über den Friedhof, die Häuser sieht man fast nicht, weil sie alle irgendwo im Wald stehen und 5 km weiter ist man immer noch im selben Dorf.

...fast alle Bibliotheken gratis sind, dafür die öffentlichen Verkehrsmittel sauteuer. Für die 50km mit dem Bus von Kokkola nach Kaustinen habe ich mit Studentenermäßigung 7 Euro bezahlt. Wieviel wird es wohl erst nach Helsinki kosten???

Ein Sonntag in Kaustinen

Jetzt ist gerade Sonntag, fast ein Uhr, ich sitze in der Sonne neben dem Zentrum für Volksmedizin, da gibt es Tisch und Bank auf einem Fleckchen Gras. Solange es geht, muss ich den Sonnenschein noch ausnutzen. Gestern habe ich die Küche und das Bad geputzt, das war bitter nötig. Der Mülleimer war bestimmt das letzte Mal geleert worden, als ich noch fröhlich in Österreich herumspazierte. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaub dieses eklige Zeug waren schon Madeneier… Denkt nicht, dass die Küche sauber und aufgeräumt ist, nur weil ich sie mit zwei Mädchen teile! Das Zimmer sieht mittlerweile auch sehr schön aus, ich hab einen Tisch und Stühle aus einem anderen leeren Raum geklaut, die neuen Vorhänge, Postkarten, eure Kommentare auf dem Goodbye-Austria-Plakat, ein paar Bilder von Österreichs Bergen, die ich so vermisse .

On-Arrival-Trainig in Kokkola, Villa Elba, 4.-10.9.09

Kokkola ist eine Stadt mit ungefähr 40 000 Einwohnern, 500 km nördlich von Helsinki und 50 km weit weg von Kaustinen, meinem schönen Kaff. Villa Elba ist ein Jugendzentrum oder Erholungsgebiet, so was in der Art und liegt außerhalb von Kokkola am Meer. Am 4.9. traf ich dort am Nachmittag ein und war ausnahmsweise mal die Erste! Ich wohnte in so einem kleinen Sommerhäuschen mit fünf anderen Mädels der insgesamt 15 Freiwilligen. Nach einer Kennenlern-Runde gab es um fünf auch schon bald Dinner. Irgendwie gibt es in Finnland immer das Gleiche: entweder Porridge (Haferschleim), Kartoffelauflauf (die anderen Zutaten variieren, z.B. Schinken, Karotten, Fisch…) oder Suppe. Und außerdem zu jeder Mahlzeit Brot mit Butter.
Aber was erzähl ich ständig vom Essen! Die Leute dort waren viel interessanter. Piero und Lia aus Italien, Peter und Nici aus Ungarn, Adam, Judith, Anna, Lisa, Laura und Anja aus Deutschland, Ross aus England, Kamala aus Aserbaidschan, Martina und Neva aus Österreich und Ingrid aus Belgien.

Der erste Abend wurde noch von den Trainern geplant, die folgenden Abende konnten wir selbst gestalten (Sauna, reden, essen, Gitarre spielen, ausgehen...)
Am nächsten Tag, Samstag, spazierten wir mit einem Trainer in den Wald, machten Spiele, bekamen Informationen über Finnland, genossen die Aussicht und machten eine Rast bei einer Grillstation. Die Landschaft um Villa Elba herum ist traumhaft. Wald, Felder, Schilf, Meer… In Finnland gibt es ein Recht, das besagt, dass jeder die Erlaubnis hat, sich in der Natur frei zu bewegen, das sogenannte Jedermannsrecht. Man kann also einfach in den Wald gehen und zelten, fischen gehen, …

Am Nachmittag hatten wir einen kleinen Finnisch-Kurs (Ich hab fast alles schon wieder vergessen) und an den folgenden drei Tagen bekamen wir zwei neue Trainer: Kati und Antti. Die zwei sind echt super, sie dachten sich ein abwechslungsreiches Programm aus, auch oft im Freien und mit vielen Freiheiten und so wurden wir durch spannende Methoden an Themen wie Europa, freiwilliges Arbeiten, Rechte und Pflichten, unsere Motivationen, finnische Kultur, Stereotypen, Reisen, die Einstellung zur kommenden Dunkelheit und nicht zuletzt Heimweh oder Einsamkeit herangeführt (eine große Sorge vieler von uns). Nachdem ich erfahren hatte, wie andere so hausen, war ich wieder zufrieden mit meinem Standort in Finnland. Drei Freiwillige wohnen im Nirgendwo, in einer Community mit 50 Leuten, mitten in Finnland, ohne Busverbindung, wo sie Menschen mit Behinderung betreuen (die glaub die Hälfte dieser 50 Menschen ausmachen) und auf der Farm arbeiten. Ich hoffe, ich kann sie mal besuchen und erfahren, wie es ist, in der Isolation zu leben.

In den drei Tagen ergaben sich tolle Gespräche, Diskussionen und witzige Momente mit den anderen Freiwilligen. Die Möglichkeit, Leute aus anderen Ländern kennenzulernen empfand ich als ungeheure Chance. Automatisch krempelt man seine Einstellung um. Die Offenheit und Neugier von uns allen, aber auch die Gewohnheiten und die Witze ergaben eine sehr lebendige Atmosphäre, in der man sich sehr wohl fühlen konnte. Ich glaube, ich habe bisher in Finnland schon mehr gelernt, als ich in einem Jahr in Österreich lernen könnte. Es ist wunderbar, einer Welt für einige Zeit entfliehen zu können, in der in erster Linie das Bekommen, das Konsumieren zählt. Hier ist es genau umgekehrt: Man gibt selbst zuerst, ohne zu verlangen und ohne es zu erwarten bekommt man so viel zurück, und hat später mehr. Dazu fällt mir wieder dieser Satz ein: How is wealth really measured?

Das ganze Training erinnerte mich auch ein bisschen an eine Projektwoche in der Schule. Manchmal waren wir wie eine Klasse auf Klassenfahrt, Schulbeginn, neue Themen, neue Freunde, Spaß…, obwohl wir zum Teil einen großen Altersunterschied hatten. Die jüngsten waren 18, die älteste 29.
Am besten von allem hat mir die Sauna gefallen. Es gab eine neue und eine alte Sauna, die alte war echt finnisch und musste eigenhändig durch Feuer machen im Ofen erwärmt werden. Sie lag draußen am Meer auf einem kleinen Steg, rundherum Sandstrand, Schilf, Segelboote, Sommerhäuser… Zu siebt quetschten wir uns in die kleine Sauna, anschließend ein Sprung ins eiskalte Wasser, wieder zurück… und anschließend fühlt man sich wie neugeboren.Eigentlich war das ganze Training wie ein einziger Saunaabend. Danach fühlt man sich so frisch und frei von Sorgen, die Seele ist rein, okay, jetzt wird’s zu poetisch… *gg*

Am letzten Abend gingen wir nach Kokkola, wir waren zwar nur zu siebt, die anderen waren zu faul, zu müde, keine Ahnung, aber es war total lustig. Wir mussten nämlich die 4km nach Kokkola zu Fuß gehen, durch den Wald und dann neben der Straße, aber so hatten wir viel Zeit zum Reden und Blödeln. Da es Mittwoch war und eine Organisatorin erklärt hatte, dass dies für die Studenten der "Little Saturday" sei, erwarteten wir ein bisschen Party, landeten aber um halb 12 in einer Bar, die fast leer war. Die HappyHour war vorbei, das Bier kostete wieder 4.50, aber dafür weiß ich jetzt ungefähr, was Custard ist und außerdem: Silence is fun!
Am schönsten ist, dass ich jetzt neue Freunde habe, die ich besuchen kann, mit denen ich reisen kann… Ingrid, Ross, Martina und Peter wohnen in der Nähe (nah für finnische Verhältnisse, also ca. im Umkreis von 100 km). Bestimmt besuche ich auch Kamala, die auf den Aland Islands wohnt und wir fahren mit der Fähre nach Stockholm (dauert nur 3 Stunden), juhu!

Am letzten Tag, als ich mit Ingrid und Kamala Kokkolas Second-Hand-Shops nach brauchbaren Einrichtungsgegenständen für unsere Zimmer durchforstete, sprach uns mitten auf der Straße ein junger Mann an. Als er mit dem Rad vorbeifuhr dachte ich zuerst, es sei ein Finne (weil er so blond war), aber als er stehenblieb, wusste ich, dass das nicht sein konnte (ein Finne würde dich nie einfach auf der Straße ansprechen). Er war ein deutscher Student, der im Konservatorium in Kokkola studiert und auch mal Freiwilliger gewesen war. Tja, manchmal ergeben sich Kontakte, ohne dass man was dafür tun muss!

Konzert im Kino

Am Donnerstag, 3.9. fand ein Konzert im Kino statt, das auch so was wie ein Jugendzentrum ist, wo ich vielleicht mal arbeiten werde. Sehr metal-lastig Die Hälfte des Konzerts war nur Grölerei, die andere Hälfte Deprimusik. Ich weiß ja nicht, aber ich hoffe irgendwie, dass die Finnen auch auf schöne Musik stehen. Durch diese Klänge wurde ich richtig traurig und vermisste euch alle. Aber als so ein kleiner Metaler die Bühne betrat, musste ich auf einmal lachen, weil es so witzig aussah, wie er - nicht mal 1.60 groß - wie wahnsinnig ins Mikro grölte. Am nächsten Tag hatte er bestimmt Kopfschmerzen, so ein Headbanging kriegt nicht jeder her!

Zweiter Tag

Nach dem gestrigen anstrengenden Tag war es heute ein bisschen ruhiger. Ich traf mich um 9.15 mit Jaana, meiner Deutschlehrerin in der Schule, um in der Gesamtschule eine Stunde Deutsch zu erleben. Zur Information: Die Schule beginnt hier normalerweise um halb neun. Mit sieben Jahren kommen die Kinder in die Gesamtschule bis sie 15 sind. Dort lernen sie ab der siebten Schulstufe andere Sprachen: Schwedisch, Deutsch.... Englisch können irgendwie sowieso alle, ich weiß nicht, wann sie damit beginnen. Anschließend gehen manche in die Oberstufe (16-19 Jahre) oder sie arbeiten oder gehen in eine "berufliche Schule". Ich war gerade mal eine Stunde in der SChule, erzählte über meine Familie, das Haus, die Berge und zeigte Fotos, da gab es schon Mittagessen. Uhrzeit: 10.30. Anschließend wieder Deutsch, danach Gesundheitslehre auf Finnisch im Musikkilukio (meine Schule) und dann endlich mal schlafen... Um 3 ging ich mit einer meiner Mitbewohnerinnen, Saana, zur Orchesterprobe. Beim Orchester werde ich leider nicht mitspielen können Sie spielen kein Stück mit Flöte, leider. Aber es gibt Chor, Musiktheater, ... I´ll see.

Mein erster richtiger Tag in Finnland

Tervetuloa!

Nachdem ich am 1.September problemlos in Kokkola und später in Kaustinen ankam, meine Deutschlehrerin und die Direktorin getroffen hatte, das kleine Zimmer in dem alten Haus "Funkkis" bezogen hatte und später sehr müde ins Bett fiel, wachte ich am 2. September ebenso müde auf und eilte zur Schule.Morgenzeremonie: Um 8.35 treffen sich alle Schüler täglich in der Aula und hören der Ansprache der Direktorin zu. Ich habe kein Wort verstanden und kapierte auch überhaupt nicht, warum dieser Junge da vorne stand und leise etwas erzählte. Schließlich fand ich, dass alles wie ein Prüfungsgespräch aussah. Ein zweiter Junge kam hinzu und bekam von der Direktorin eine alte braune Uhr (einen Wecker?) im 70er-Stil geschenkt, mit zwei Ziffernblätter. Verwirrend. Danach Schwedisch, Musikgeschichte (es ging um Romantik, so viel habe ich verstanden...), wieder eine Schulbesprechung für 10 Minuten, wo ich mich kurz vorstellen musste und eine Prüfungsbesprechung. Mittagessen gab es um halb 12 und ich kann euch sagen: Haferschleim schmeckt nicht so gut, sogar für mich nicht. *g*

Anschließend hatte ich zum ersten Mal Deutsch, die 6 SChüler waren sehr still. In Englisch bin ich später fast eingeschlafen, wir hatten Listening Comprehension, jeder mit eigenem Kopfhörer. Eine Übung für die Prüfungen. Ich glaube, ich hätte total versagt.Anschließend besichtigte ich mit meiner Deutschlehrerin die Bibliothek in Kaustinen, die sehr groß und schön gemütlich ist.Später ging ich einkaufen im Warenhaus "Halpa Halli" (halpa heißt billig, wie ich heute gemerkt habe) und dann joggen. Mit Sauna war gestern doch nichts, dafür habe ich mein Zimmer schön eingerichtet, die Wände gestaltet, alle Karten von euch aufgehängt. Ich sage euch, ich bin froh um jeden Glücksbringer, jede Karte, jede Erinnerung!
Zur Information: Ich wohne in einer Art Studentenheim mit 7 Schülerinnen vom Musikkilukio, meiner Schule, 5 im oberen Stock, der viel schöner und gemütlicher ist und zwei mit mir unten. Die Wände im Gang sind kahl, die Küche ist klein und nicht sehr gemütlich, aber es lässt sich leben.