Donnerstag, 3. Dezember 2009

On-Arrival-Trainig in Kokkola, Villa Elba, 4.-10.9.09

Kokkola ist eine Stadt mit ungefähr 40 000 Einwohnern, 500 km nördlich von Helsinki und 50 km weit weg von Kaustinen, meinem schönen Kaff. Villa Elba ist ein Jugendzentrum oder Erholungsgebiet, so was in der Art und liegt außerhalb von Kokkola am Meer. Am 4.9. traf ich dort am Nachmittag ein und war ausnahmsweise mal die Erste! Ich wohnte in so einem kleinen Sommerhäuschen mit fünf anderen Mädels der insgesamt 15 Freiwilligen. Nach einer Kennenlern-Runde gab es um fünf auch schon bald Dinner. Irgendwie gibt es in Finnland immer das Gleiche: entweder Porridge (Haferschleim), Kartoffelauflauf (die anderen Zutaten variieren, z.B. Schinken, Karotten, Fisch…) oder Suppe. Und außerdem zu jeder Mahlzeit Brot mit Butter.
Aber was erzähl ich ständig vom Essen! Die Leute dort waren viel interessanter. Piero und Lia aus Italien, Peter und Nici aus Ungarn, Adam, Judith, Anna, Lisa, Laura und Anja aus Deutschland, Ross aus England, Kamala aus Aserbaidschan, Martina und Neva aus Österreich und Ingrid aus Belgien.

Der erste Abend wurde noch von den Trainern geplant, die folgenden Abende konnten wir selbst gestalten (Sauna, reden, essen, Gitarre spielen, ausgehen...)
Am nächsten Tag, Samstag, spazierten wir mit einem Trainer in den Wald, machten Spiele, bekamen Informationen über Finnland, genossen die Aussicht und machten eine Rast bei einer Grillstation. Die Landschaft um Villa Elba herum ist traumhaft. Wald, Felder, Schilf, Meer… In Finnland gibt es ein Recht, das besagt, dass jeder die Erlaubnis hat, sich in der Natur frei zu bewegen, das sogenannte Jedermannsrecht. Man kann also einfach in den Wald gehen und zelten, fischen gehen, …

Am Nachmittag hatten wir einen kleinen Finnisch-Kurs (Ich hab fast alles schon wieder vergessen) und an den folgenden drei Tagen bekamen wir zwei neue Trainer: Kati und Antti. Die zwei sind echt super, sie dachten sich ein abwechslungsreiches Programm aus, auch oft im Freien und mit vielen Freiheiten und so wurden wir durch spannende Methoden an Themen wie Europa, freiwilliges Arbeiten, Rechte und Pflichten, unsere Motivationen, finnische Kultur, Stereotypen, Reisen, die Einstellung zur kommenden Dunkelheit und nicht zuletzt Heimweh oder Einsamkeit herangeführt (eine große Sorge vieler von uns). Nachdem ich erfahren hatte, wie andere so hausen, war ich wieder zufrieden mit meinem Standort in Finnland. Drei Freiwillige wohnen im Nirgendwo, in einer Community mit 50 Leuten, mitten in Finnland, ohne Busverbindung, wo sie Menschen mit Behinderung betreuen (die glaub die Hälfte dieser 50 Menschen ausmachen) und auf der Farm arbeiten. Ich hoffe, ich kann sie mal besuchen und erfahren, wie es ist, in der Isolation zu leben.

In den drei Tagen ergaben sich tolle Gespräche, Diskussionen und witzige Momente mit den anderen Freiwilligen. Die Möglichkeit, Leute aus anderen Ländern kennenzulernen empfand ich als ungeheure Chance. Automatisch krempelt man seine Einstellung um. Die Offenheit und Neugier von uns allen, aber auch die Gewohnheiten und die Witze ergaben eine sehr lebendige Atmosphäre, in der man sich sehr wohl fühlen konnte. Ich glaube, ich habe bisher in Finnland schon mehr gelernt, als ich in einem Jahr in Österreich lernen könnte. Es ist wunderbar, einer Welt für einige Zeit entfliehen zu können, in der in erster Linie das Bekommen, das Konsumieren zählt. Hier ist es genau umgekehrt: Man gibt selbst zuerst, ohne zu verlangen und ohne es zu erwarten bekommt man so viel zurück, und hat später mehr. Dazu fällt mir wieder dieser Satz ein: How is wealth really measured?

Das ganze Training erinnerte mich auch ein bisschen an eine Projektwoche in der Schule. Manchmal waren wir wie eine Klasse auf Klassenfahrt, Schulbeginn, neue Themen, neue Freunde, Spaß…, obwohl wir zum Teil einen großen Altersunterschied hatten. Die jüngsten waren 18, die älteste 29.
Am besten von allem hat mir die Sauna gefallen. Es gab eine neue und eine alte Sauna, die alte war echt finnisch und musste eigenhändig durch Feuer machen im Ofen erwärmt werden. Sie lag draußen am Meer auf einem kleinen Steg, rundherum Sandstrand, Schilf, Segelboote, Sommerhäuser… Zu siebt quetschten wir uns in die kleine Sauna, anschließend ein Sprung ins eiskalte Wasser, wieder zurück… und anschließend fühlt man sich wie neugeboren.Eigentlich war das ganze Training wie ein einziger Saunaabend. Danach fühlt man sich so frisch und frei von Sorgen, die Seele ist rein, okay, jetzt wird’s zu poetisch… *gg*

Am letzten Abend gingen wir nach Kokkola, wir waren zwar nur zu siebt, die anderen waren zu faul, zu müde, keine Ahnung, aber es war total lustig. Wir mussten nämlich die 4km nach Kokkola zu Fuß gehen, durch den Wald und dann neben der Straße, aber so hatten wir viel Zeit zum Reden und Blödeln. Da es Mittwoch war und eine Organisatorin erklärt hatte, dass dies für die Studenten der "Little Saturday" sei, erwarteten wir ein bisschen Party, landeten aber um halb 12 in einer Bar, die fast leer war. Die HappyHour war vorbei, das Bier kostete wieder 4.50, aber dafür weiß ich jetzt ungefähr, was Custard ist und außerdem: Silence is fun!
Am schönsten ist, dass ich jetzt neue Freunde habe, die ich besuchen kann, mit denen ich reisen kann… Ingrid, Ross, Martina und Peter wohnen in der Nähe (nah für finnische Verhältnisse, also ca. im Umkreis von 100 km). Bestimmt besuche ich auch Kamala, die auf den Aland Islands wohnt und wir fahren mit der Fähre nach Stockholm (dauert nur 3 Stunden), juhu!

Am letzten Tag, als ich mit Ingrid und Kamala Kokkolas Second-Hand-Shops nach brauchbaren Einrichtungsgegenständen für unsere Zimmer durchforstete, sprach uns mitten auf der Straße ein junger Mann an. Als er mit dem Rad vorbeifuhr dachte ich zuerst, es sei ein Finne (weil er so blond war), aber als er stehenblieb, wusste ich, dass das nicht sein konnte (ein Finne würde dich nie einfach auf der Straße ansprechen). Er war ein deutscher Student, der im Konservatorium in Kokkola studiert und auch mal Freiwilliger gewesen war. Tja, manchmal ergeben sich Kontakte, ohne dass man was dafür tun muss!

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