Dienstag, 22. Dezember 2009

Weihnachtszeit - Zeit der Erinnerungen2

Am nächsten Tag hatte ich die ersten zwei Stunden Deutsch. Ich erzählte noch einmal von Weihnachten in Österreich, von Keksen, Nikolaus und Krampus. Wir öffneten alle Türchen meines selbst gebastelten Kalenders und beschrieben die Bilder und das Spiel, das ich vorbereitet hatte, klappte super. Um 12 Uhr fand die Pikkujoulu des Lukio in der Aula statt. Ein paar Kinder führten einen Tanz vor, ebenso eine Gruppe Mädchen. SchülerInnen des Lukio musizierten und auch ich trat mit ein paar Schülern auf und sang zwei österreichische Weihnachtslieder, die ich ihnen beigebracht hatte. „Es wird scho glei dumpa“ und „Immer, wenn es Weihnacht wird“. Zu meiner großen Überraschung bekam ich auch von der Schule ein Geschenk, ein großes, schweres, bronzefarbenes Metallherz, das schon im Funkkis, meiner Wohnung, in der Garderobe hängt.

Das Wochenende in Kaustinen war auch sehr schön, obwohl die feierliche Stimmung leider vor dem Fernseher vergammelte. Aber schließlich kochten wir und am Samstag ging ich auch mit Saana und Elisa in die Sauna. Ach ja, von Elisa bekam ich eine selbstgestrickte Mütze! Jaanas Geschenk packte ich schlussendlich auch schon vor dem Heiligen Abend aus: eine Muumitasse! Ich freute mich sehr darüber, denn alle Finnen lieben die Muumis, die sind wirklich herzig.

Am Montag, dem 21.12. war ich bei Taina, der Direktorin, eingeladen. Als ich das große, gelbe Haus am Fluss betrat, traute ich meinen Augen kaum. Es war sehr groß, sehr modern, mit vielen Gemälden. Mega Flachbildschirm vor dem Ledersofa, eine hohe schräge Decke, geräumige Küche, aber erst der Keller! Als ich mich die schlichte Holztreppe hinunterbewegte, trat schon eine weitere Sitzgelegenheit in mein Blickfeld. Dann, ein steinerner Kamin, davor zwei lange schwarze Ledersessel mit weißem Fell darauf. Ein zweiter Flachbildschirm, der aus einem verschiebbaren Gestell aus der Wand ragte, darunter ein Weinflaschenhalter, Lichtspots, die über eine Fernbedienung ein- und ausgeschaltet werden konnten. Taina führte mich weiter bis zur Sauna. Oder besser gesagt, der Sauna, dem Dampfbad, Whirlpool und der Infrarotkabine mit eingebauter Stereoanlage. Im Keller gab es auch nochmal eine Küche, ein Arbeitszimmer für Taina und einen Hobbyraum für ihren Mann, von dem aus eine Treppe direkt in die Garage führte. Und Bücher, Bücher, Bücher. Da hat sich ein Architekt mal richtig ausgelassen. Der Kellerraum hätte was von einem Romantikhotel gehabt, Kuschelfaktor 10, wenn es nicht Taina gewesen wäre, die neben mir auf ihrer schwarzen Lederliege lag, vor dem offenen Kamin bei Kerzenschein und Tee. Wir sprachen über allerlei Dinge, meist über die Schule, und Taina lobte meine Arbeit, was mich sehr freute.

22.12.

Zum ersten Mal, als es richtig dicke Flocken schneit, trete ich vor die Türe. Es dämmert seit einer Stunde und ich laufe die fünf Minuten zu Jaanas Haus. Da sie meine zwei Anrufe nicht beantwortet hat, habe ich vor, sie mit meinem kleinen Besuch zu überraschen. Kinder spielen in der Einfahrt, Jaana kommt zur Tür und wir sprechen eine Weile. Liebe Worte, ein Dank, Grüße, der Duft nach gebratenem Fisch und meine Stiefel, die Schneespuren auf der Fußmatte hinterlassen. Ich will nicht allzu lange bei den Weihnachtsvorbereitungen stören, darum spaziere ich zehn Minuten später wieder die Einfahrt hinaus.

Ich steige über die Friedhofsmauer, mein Rock streift den Schnee. Die Lichter scheinen gelassen vor sich hin. Noch nie habe ich einen Friedhof so gemocht. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich erfuhr, dass ich Zöliakie habe. Wie ich alleine im Informatikraum saß, das E-Mail las und weinte. Wie ich zum Fluss lief, um dort das letzte glutenhaltige Produkt in meinem Leben zu verzehren, erstanden im Supermarkt Halpa Halli, ein bemitleidenswertes, zerdrücktes, zuckriges Ding ohne Persönlichkeit, das zu meiner Überraschung sogar eine Marmeladenfüllung hatte. Das letzte Abendmahl.

An diesem Tag ging ich auch am Friedhof vorbei. Es fand gerade eine Beerdigung statt.

Wie sich doch alles verändert hatte! Das muss ein starker Wind gewesen sein, der so viele Blätter wenden kann.

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