Dienstag, 22. Dezember 2009

Finnischer Schnee

Finnischer Schnee knirscht nicht, er quietscht. Das habe ich schon heute Morgen festgestellt, als ich mit den neuen braunen Lederstiefeln über den verschneiten Parkplatz lief. Beim ersten Atemzug im Freien, dem schönsten des Tages, wanden sich meine Nasenflügel plötzlich nach innen und die äußerste Hautschicht gefror. Dieses Gefühl blieb den ganzen Weg über bestehen, als ich die kältesten Temperaturen in meinem bisherigen Leben erfuhr. Minus 19 Grad. Der Horizont leuchtete in zartem Rosa, das vorsichtig in das Babyblau des Himmels strömte. Ein Leuchten, das ich bisher nur von meinen Bergspitzen zuhause gekannt hatte.

Der breite Weg ist von Nadelbäumen gesäumt. Der Schnee quietscht so laut, dass er meine Gedanken übertönt. Als ich kurz stehen bleibe und inne halte, ist kein Laut mehr zu hören. Die Natur kommt näher als sonst. Ich laufe weiter. Der Schnee benimmt sich wie Kristallzucker, als er von meinen Schuhspitzen hüpft. Meine Hände und Füße sind warm, aber meine Wangen fühlen sich wie zwei Apfelhälften an. Meine Beine werden zu Baumstämmen und der Stoff darum herum zum Schleifpapier, das meine Rinde reizt. Der Kragen der Winterjacke ist längst hart vom gefrorenen Atem und den leisen Schneefuseln, die mir ins Gesicht schneien. Ich verlasse den Waldweg über einen kleinen Pfad, trete zwischen Büschen hindurch und erreiche den großen weißen Sportplatz, der von der Langlaufstrecke umringt wird. Das Holz der Baumstämme wird härter, das Schleifpapier immer gröber. Das Quietschen des Schnees wird nun vom Rauschen der Beschneiungsanlage begleitet. Aus der Kristallzuckertraum.
Der gefrorene Kunstschnee sieht aus wie hingeschmiert. Ein Schneeflockenglitzern lang wird der große Sportplatz zum Kuchen und ich zur Ameise, die sich darauf verirrt hat. Auf die Zuckerglasur des Kuchens haben sich kaum andere Wesen getraut, aber eine Spur führt über den Patzen geschlagenen Eiweißes rechts von mir. Im trüben Scheinwerferlicht sucht der Kunstschnee immer noch seine Schönheit, aber niemand scheint ihn zu beachten.

Ich laufe schneller. Das Quietschen des Schnees wird heftiger. Die Dunkelheit legt sich wie ein schwarzes Seidentuch auf den Weg. Langsam verwandelt sich das Holz in meinen Beinen wieder zu Muskeln. Von innen nach außen. Jahresring um Jahresring.


Ein Eindruck von Montag, dem 14. Dezember 2009

Mittlerweile hatte es schon -22 Grad, eine Kälte, die für mich kaum auszuhalten ist. Besonders der Wechsel von draußen nach drinnen ist sehr ungewöhnlich.

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